IKONEN GALERIE SOPHIA


 

Die Russische Metall-Ikone - eine besondere Variation der traditionellen Ikone

"Ein jeglicher hat in seiner Stube oder dem Gemach, darinnen er gemeiniglich wohnt, ein Bildnis
neben oder über seiner Sitzstatt, gemalt oder gegossen.
Der Gast, sobald er in das Gemach tritt, sieht sich zuerst um, wo er die Bildnisse sehen kann,
entblösst seinen Kopf, bekreuzigt sich dreimal nach ihrem Brauch.
Alsdann erst spricht er zu dem Wirt:
"Dass du gesund seiest!"


Hl. Nikolaus, 17. Jahrhundert
Hl. Nikolaus, 17. Jahrhundert

        Die Worte stammen aus der Feder des kaiserlichen Gesandten Sigmund Freiherr von Herberstein, der während der Jahre 1517/18 und 1526/27 in diplomatischer Mission Russland bereiste und seine Beobachtungen und Eindrücke in einer schon damals vielbeachteten Schrift festhielt.


        Angesichts des kraftvoll lebendigen Glaubens und der tiefen, ausgeprägt orthodoxen Spiritualität des Volkes im alten Russland dürfen wir davon ausgehen, dass der einzelne Gläubige ein nahezu permanentes Gebetsbedürfnis empfand. Seine Gebetsübungen aber vollzog er - einer Tradition gemäss, wie sie auch Herberstein bezeugt - stets vor einer Ikone: Es genügt damit nicht, wenn die für den Kult unentbehrlichen Ikonen nur an festen Plätzen zur Verfügung standen, also in Gotteshäusern und Wohnungen, sondern sie mussten auch für die Andacht unterwegs verfügbar sein, auf Reisen zum Beispiel, während der Feldarbeit oder etwa beim Waffendienst. Für eine derart universelle Verwendung waren allerdings bemalte Holztafeln recht ungeeignet.

        Wenn nicht schon Grösse und Gewicht solcher Bildnisse deren Mobilität erheblich einschränkten, so liess doch zumindest die Anfälligkeit ihrer materialen Substanz eine ortsungebundene Verwendung problematisch erscheinen. Nichts lag daher näher, als auch unempfindlichere, nämlich metallene Bildwerke zu schaffen. Zwei den Metall-Ikonen zugedachte wesentliche kultische Verwendungszwecke sind damit bereits aufgedeckt. Sie finden ihren Niederschlag in den Bezeichnungen "Reise-Ikonen" sowie "Halsband" oder "Brust-Ikone". Reise-Ikonen waren, wie es schon im Namen anklingt, dazu ausersehen, ihren Besitzer auf Reisen zu begleiten und ihm auch in der Fremde eine dem Brauch entsprechende Andacht zu ermöglichen.

        Nach Beendigung einer Reise wurden sie für gewöhnlich im häuslichen Ikonenwinkel aufgstellt, der "schönen Ecke" (russisch: "krásnyj úgol")wie dieser zentrale Gebets- und Andachtsplatz aller Hausgenossen auch genannt wird. Es scheint sich namentlich im 19. Jahrhundert eingebürgert zu haben, Reise-Ikonen auch in meist teilbemalten Holztafeln einzulassen, aus denen sie im Bedarfsfall dann leicht herausgenommen werden konnten. Solche Kompositionen, die vielfach als "Staurothek-Ikonen" bezeichnet werden, hatten ebenfalls in der Bilderecke ihren festen Platz.

 

Künstlerische Techniken

        Kupfer und mehr noch seine Legierungen Bronze sowie Messing waren die für die Metall-Ikonenherstellung in Russland vorzugsweise gewählten Werkstoffe. Vereinfachend spricht man heute fast unterschiedslos alle jene Exemplare als bronzen an, die aus einer wie auch immer zusammengesetzten Kupferlegierung bestehen. Strenggenommen kann natürlich von Bronze nur im Falle einer Kupfer-Zinn-Legierung die Rede sein, während dagegen Messing, auch Gelbguss genannt, ein Kupfer-Zink-Gemisch darstellt. Eine zuverlässige Materialbestimmung erweist sich hier aber vielfach als schwierig, weil entweder die Oberflächenveredelung, etwa Vergoldungen, oder allein schon eine Patina bewirken, dass die materialen Unterschiede kaum offen zutage treten. Aus welchem Material das Modell geschaffen werden musste, hing wesentlich von der Gusstechnik ab, die im Einzelfall Anwendung finden sollte. Zur Wahl standen das Wachsausschmelzverfahren und verschiedene Varianten des Herdgussverfahrens.

        Das Wachsschmelzverfahren, eine schon seit dem dritten Jahrtausend bekannte künstlerische Metallgusstechnik, dürfte in Russland häufiger für die Herstellung solcher Metall-Ikonen gebräuchlich gewesen sein, deren Vorder- und Rückseite eine plastische Oberflächenbeschaffenheit aufweisen sollte. Um das fertige Guss-Stück freizulegen muss man zu guter Letzt die Form zerbrechen, womit sie allerdings für eine nochmalige Verwendung ebenso verloren ist, wie das Modell selbst. Aus diesem Grunde bezeichnet man die hier beschriebene Gusstechnik auch als Verfahren mit verlorener Form.

        In vielen Fällen wurden die fertigen Guss-Stücke einer weiteren Oberflächenveredelung unterzogen. Als wirklich veredelnde Oberflächenbehandlungen sind das Emailieren sowie - vor allem bei bronzenen Ausführungen - das Versilbern oder Vergolden eines Guss-Stücks anzusehen. Unter den verschiedenen Möglichkeiten des Vergoldens dürfte in Russland wohl die Methode der Feuervergoldung im Vordergrund gestanden haben. Bei diesem Verfahren wird ein Amalgam von Gold und Quecksilber zu einer Paste verarbeitet, die man auf die zu vergoldende Fläche aufträgt. Beim nachfolgenden Erhitzen verdampft das Quecksilber, während das Gold mit dem Metallträger eine recht widerstandsfähige Oberflächenverbindung eingeht. Auf die gleiche Weise läuft auch der Vorgang des Versilberns ab, genauer des Feuerversilberns, nur müssen hierbei andersartige Quecksilberlegierungen verwendet werden.


zurück zu Bronzen     zurück zu Startseite      zurück noch oben

 

Bibliographie:
Jeckel, Stefan: Russische Metall-Ikonen - in Fromsand gegossener Glaube /Stefan Jeckel.3.Aufl.-Bramsche: Rasch, 1995

__________________________________________________________________

- Ikonen - Fenster zwischen irdischem und himmlischem Reich

Widdergasse 10, CH-8001 Zürich
Tel. +41 (044) 2 12 12 90 - Fax: +41 (044) 2 11 25 44 - Mobil: 079 357 29 24